Game-Design, Leidenschaft und Büchsenravioli
Das Echo auf meine Einschätzungen zum Stand der Dinge des Schweizer Game-Designs war überraschend gross und hat mich riesig gefreut. Ich hatte damals angekündigt, dass ein weiterer Text mit Lösungsvorschlägen und Ideen folgen würde. Der Text ist fertig und kommt sehr bald.
Aufgrund der zahlreichen Reaktionen und Kommentare auf den ersten Text habe ich in den letzten Tagen vier Interviews mit Game-Studio-Gründerinnen und -Gründern geführt, die von ihren Erfahrungen, Ambitionen und Herausforderungen berichten. Es waren tolle und vor allem sehr offene Gespräche, die ich mit Tabea Iseli (Stardust), Michaela Rimensberger (Sycoforge), Goran Saric (Okomotive) und Michel Ziegler (Hidden Fields) geführt habe. Sie zeigen die Vielfalt des Schweizer Game-Designs, die Passion der Kreativen und deren — für Schweizer Verhältnisse untypische — Risikobereitschaft.
Gar nicht so wie viele denken
«Euch geht’s einfach zu gut» oder «Ihr geht kein Risiko ein», ist oft zu hören, wenn man mit befreundeten Game-Designerinnen und -Produzenten aus dem Ausland spricht. Die Schweizerinnen und Schweizer seien zu sehr auf ihre Sicherheit und ihren Wohlstand bedacht, heisst es.
Die von mir geführten Gespräche zeichnen ein ganz anderes Bild. Es zeigt kreative Frauen und Männer, die sich aufs hauchdünne Eis des Unternehmertums wagen, um ihre Visionen zu realisieren und um ihren Idealen nachzuleben. Sie stellen sich der Herausforderung eines Hit-driven-Business, in dem zum Beispiel alleine in Apples App-Store wöchentlich zwischen 4000 bis 7000 neue Games erscheinen.
Fast ausschliesslich werden die Studios zu Beginn mit eigenen Mitteln finanziert. Die einen tun dies, um eine Arbeitsstelle zu bieten, in der Diversität und Gleichberechtigung vorgelebt werden. Andere zahlen ihren freien Mitarbeitenden bessere Löhne als sich selber oder werkeln im Alleingang während fast sieben Jahren an ihrem Projekt und verzichten dabei auf jeglichen Luxus. Sie leben von den sprichwörtlichen Büchsenravioli und ihrer Leidenschaft.
Erfolg allein reicht nicht
Die Bandbreite der Games, die teils international sehr erfolgreich sind und deutlich über 300'000 verkaufte Kopien vorweisen können, ist eindrücklich. Sie reicht vom handgezeichneten Horror-Game «Mundaun», das in Obersaxen spielt und auf Rätoromanisch gesprochen ist, über das poetische Abenteuerspiel «Far: Lone Sails» zum wunderschön gestalteten interaktiven Tarot-Spiel «Ava» und dem äusserst ehrgeizigen Fantasy-Game «Arafin», das seit 12 Jahren in Entwicklung ist.
Allen gemein ist, dass sie auf die Unterstützung durch die Kulturstiftung Pro Helvetia zählen konnten. Die monetäre Förderung wird zwar geschätzt, doch die gesprochenen Entwicklungsgelder der öffentlicher Hand sind bei Produktionsbudgets von 0.5–2.5 Mio. Franken nur ein sehr kleiner Beitrag. Fast wichtiger sind die Einladungen der Pro Helvetia an internationale Konferenzen und Events, die es den Game-Studios ermöglichen, dort Networking zu betreiben.
Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal bei Tabea, Michaela, Goran und Michel für den Austausch und Ihre Offenheit bedanken. Sie gewähren alle einen einmaligen Einblick ins Schweizer Game-Schaffen.
Und: Der dritte Text zu Lösungsideen kommt noch. Versprochen.